Christ sein in Corona-Zeiten (5)
Weihnachten 2020 – das etwas andere Fest. Am liebsten würde ich jetzt alle christlichen Querdenker, Mitläufer, Irrlichter, Corona-Leugner und Dr.-Rainer-Füllmich-Theorien-Verteiler ansprechen. Ist aber leider kontraproduktiv und hilft nicht wirklich weiter. Daher fühlt euch jetzt nur gemeinsam mit allen anderen angesprochen.
Dieses Weihnachtsfest ist etwas Besonderes. Denn Fakt ist, dass wir neben Corona ein ganz anderes Problem unter Christen haben. Man kann es mit einem Wort beschreiben: Spaltung.
Die Frage ist, was und wie wird es nach Corona werden? Sitzen wir dann in den Kirchen und Gemeinden getrennt? Hier Geimpfte, dort Impf-Gegner. Hier Corona-Leugner, dort Corona-Ernstnehmer? Zu allen Zeiten gab es Glaubenskämpfe unter Christen, aber sie scheinen immer heftiger und ernstzunehmender zu werden. Denn eine Einteilung in Kluge und Dumme, Ignoranten und Checker, in Christen und ehemalige Christen funktioniert einfach nicht. Auf beiden Seiten der Konflikte befinden sich ernstzunehmende Christen, die demselben Herrn nachfolgen. Nur eben mit unterschiedlichen Meinungen.
Kann es gelingen, trotz unterschiedlicher Meinungen eines Sinnes zu sein? Muss doch irgendwie möglich sein, denn Frieden und Versöhnung kommt genau durch denjenigen, dessen Geburt Christen in dieser Woche feiern. Dazu ein paar Denkanstöße:
Vorfreude
Das wird ein Fest (Weihnachten 2020)
Wenn wir dann mal unsere Masken dauerhaft zur Seite gelegt haben,
wenn wir uns wieder treffen dürfen mit Freunden, Verwandten,
Geschwistern und Bekannten.
Wenn wir dann mal wieder gefeiert haben, als gäbe es kein Morgen.
Wenn wir wieder unbeschwert, fröhlich, ausgelassen
und entspannt den anderen begegnet sind.
Wenn wir dann mal wieder reisen konnten,
dahin, wo wir so elendig lange nicht gewesen sind.
Wenn wir unseren ersten Urlaub an dem Ort erlebt haben,
den wir uns ganz allein ausgesucht haben.
Wenn wir mal wieder am Meer, am See, in den Bergen,
in der Wüste oder im Eis gewesen sind. In den Lüften geflogen,
auf den Wassern geschippert, auf den Straßen gefahren.
Wenn wir dann die ersten Gottesdienste erlebt haben, ohne Masken,
ohne Abstand und in sehr gut gefüllten Räumen.
Wenn wir dann die ersten Lieder gesungen haben,
und uns endlich darüber freuen, dass jede Strophe unendlich oft wiederholt wurde,
und es kein Ende nehmen wollte.
Wenn wir dann zum ersten Mal wieder Abendmahl gefeiert haben
und das „Vater Unser“ so laut wie es ging gemeinsam gesprochen haben.
Wenn wir dann wieder erlebten, wie schön es ist,
geredet zu haben, verstanden zu haben, vergeben zu haben.
Wenn wir endlich zu unseren zu Fremden gewordenen Freunden sagen können:
„Erst durch die Krise habe ich erfahren, wie dumm du sein kannst
und was für komische Dinge du glaubst, und wie komisch du denkst –
aber: Ich mag dich immer noch!“
Und diese zwischenzeitlich zu Fremden gewordenen dann geantwortet haben:
„Gleichfalls – aber können wir jetzt endlich wieder Freunde sein!“
Wenn wir dann mal zurückschauen auf eine Zeit, die schwer war, die tödlich war,
die uns geschüttelt, gerüttelt, gequirlt und uns alle irgendwie belastet hat.
Dann kommt die Zeit der Entdeckungen, dann kommt die Zeit der Freude,
dann kommt die Zeit der neuen und
wiederhergestellten Freundschaften und Beziehungen.
Die Zeit des großen Segens, der immer da war,
und den wir nur zwischenzeitlich mal aus den Augen verloren haben.
Dann werden wir uns gegenseitig sagen, wie blöd wir uns verhalten haben,
wie hässlich viele unserer Gedanken, Worte und Äußerungen gewesen sind.
Wir werden uns in die Arme nehmen und um Vergebung bitten.
Denn nur so kann es gehen. Denn nur so können wir weiterleben.
Denn nur so wird die Zukunft besser als die Zeit, in der wir Masken getragen,
Abstand gehalten, nicht gesungen, im Home Office gearbeitet,
kein Abendmahl gefeiert und auch sonst vieles andere nicht getan haben.
Und das. Das. Ja, das wird ein Fest!
© 12/20 by Steve Volke, Marburg