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Früher war (auch nicht) alles besser

Krieg in der Ukraine, Inflation in Rekordhöhen, Existenzängste, Zukunftssorgen , Pandemie rund um den Erdball — was ist bloß los in unserer Welt? Wie konnte es nur soweit kommen, wo doch bisher alles gut zu sein schien? Waren früher die Zeiten wirklich besser? Ein Trugschluss, wie diese Bestandsaufnahme deutlich macht: 

Von Steve Volke


Kriege hat es schon immer gegeben. Auch in Europa. Warum schockt uns der Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine so sehr? Weil mindestens eine Generation in Europa keinen Krieg in den letzten 70 Jahren erlebt hat. Sagt man. Stimmt aber auch nicht wirklich. 


Die gute, alte Zeit


Untersuchungen von Soziologen haben ergeben, dass wir uns lieber und intensiver an die guten Ereignisse in unserer Vergangenheit erinnern, als an die „schweren Zeiten“. Die können uns zwar zu jeder Zeit wieder einholen, aber wir behalten lieber das Gute. Das Schlechte verdrängen wir. 

Wie gut war sie denn nun, die „gute, alte Zeit“? Schauen wir uns mal die Kriege an und gehen dafür einfach mal 100 Jahre zurück:

1920: das letzte Gemetzel des Ersten Weltkrieges war im November 1918 vorbei. Italien hatte Österreich-Ungarn besiegt. Doch bis 1921 folgten noch sechs regionale Kriege auf europäischem Boden. Das ist sehr lange her und wir können das nicht wissen. Wir haben da noch nicht gelebt. Und beim Geschichtsunterricht waren wir entweder krank oder haben ihn in dem kleinen Strassencafé um die Ecke der Schule verbracht. 

Zwischen 1921 und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 gab es weltweit 15 grössere und kleinere Kriege, davon sechs auf europäischem Gebiet. Und dann folgte bis 1945 der grosse Knall, an den sich meine Grosseltern und Eltern ihr Leben lang erinnerten, weil sie an den (gesundheitlichen) Folgen ihr Leben zu tragen hatten.

Die Menschheit hätte doch langsam die Schnauze voll haben müssen, aber weit gefehlt: Bis zum ersten Golfkrieg 1980 gab es 34 Kriege, von denen der Korea-Krieg, der Vietnam-Krieg und der Sechs-Tage-Krieg die Aufsehen erregendsten waren. 


Wir waren nicht mehr in der Schule und hatten unsere Geschichtskenntnisse mit Cappuccino ertränkt, als unsere Aufmerksamkeit auf Kriege in Somalia, im Libanon, Sudan und Afghanistan gelenkt wurden. Von 1991 bis 1995 tobte der Krieg in Jugoslawien und in Kroatien. Der Genozid in Ruanda 1994 wurde erst im Nachhinein als Versagen der Weltgemeinschaft erkannt. 1990 wurde die Welt noch vom zweiten Golfkrieg in Schrecken versetzt. Bis 2009 folgten noch 12 Kriege, darunter Kosovo und Tschetschenienkrieg. 


Krisen ohne Ende?


Zur guten, alten Zeit gehörten aber nicht nur echte Kriege, sondern vor allem der sogenannte „kalte Krieg“ zwischen Ost und West. Trauriger Höhepunkt 1961 der Bau der Berliner Mauer. Aufrüstung mit Atomraketen prägten die achtziger und neunziger Jahre. 

In Deutschland gab es ein paar sehr ungemütliche Jahre mit RAF-Terror, tödlichen Anschlägen und politischen Klärungsprozessen. Doch die achtziger und neunziger Jahre waren dann tatsächlich mal mit vielen (vor allem sportlichen) Erfolgen gekrönt: Boris Becker und Steffi Graf räumten auf den Tennisplätzen dieser Welt ab. 1994 wird Michael Schumacher erstmals Formel 1-Weltmeister und 1990 Kaiser Franz mit seinem Team Fussball-Weltmeister. 

Und 1989 kommt es dann zum deutschen Wunder, an das schon fast keiner mehr geglaubt hat. 9. November fällt die Mauer und die Grenzen werden geöffnet. Auch weltweit kommt viel in Bewegung wie 1992 das Ende der Apartheid in Südafrika und 1994 die Wahl von Nelson Mandela als erstem schwarzen Präsidenten des Landes. 

Die Millenniumswende haben nicht nur wir, sondern auch unsere Computer überlebt. Und schon hatten wir es ins 21. Jahrhundert geschafft. Wären da nicht die Terroranschläge des 9. Septembers in den USA gewesen, hätte es so ein richtig guter Einstieg ins Neue Jahrhundert werden können. 


Der Tanz auf dem Vulkan


Kommen wir nun also zur jüngsten Geschichte, den 22 Jahren des 21. Jahrhunderts. Immerhin haben wir 1/5 des Jahrhunderts bereits hinter uns. Geprägt von technischen Erfindungen mit grossem Ausmass, wie z.B. der Erfindung des iphones, der smartphone-Technologien und der Internet-Revolution. Parallel dazu Party-Time in Good Old Germany mit dem Sommermärchen 2006, der Fussball-WM im eigenen Land, und dem WM-Titel 2014 in Brasilien. 

Die letzten 20 Jahre waren in Europa vor allem von einem Dauerparty-Zustand geprägt. Dazu gehörten Kreuzfahrten genauso wie eine Lebenseinstellung, die uns das ständige Gefühl vermittelte, auf der Siegerstrasse zu sein. 

Doch bevor sich jetzt der Widerspruch formiert: es ging nicht allen so. Die Schere zwischen arm und reich ist auch in Deutschland immer grösser geworden. Neben dem Tanz auf dem Vulkan waren die ersten zwanzig Jahre des 21. Jahrhunderts auch von vielen Menschen geprägt, die durch die sozialen Netze gefallen sind. 

2008 dann die grösste Weltweite Wirtschaftskrise des bisherigen Jahrhunderts. Daneben Anschläge mit rechtsradikalen Hintergründen in Deutschland. Euro-Krise, Flüchtlings-Krise, Kernschmelze im japanischen Fukushima, Bürgerkrieg in Libyen und Syrien, Brexit und schliesslich die Corona-Pandemie, die Flut-Katastrophe im Ahrtal und die immer schärfer werdende Klimakrise. Und jetzt noch oben drauf: Putin gegen den Rest der Welt auf dem Boden der Ukraine, der unrühmliche Höhepunkt einer politischen Dauerkrise, die 2013 begann. 


Wo war und ist Gott?


Nachdem du das jetzt im Schnellflug gelesen hast, fallen dir sicher noch eigene Höhen und Tiefen ein. Wie gut war die gute, alte Zeit für dich?  Was wird in Erinnerung bleiben in zehn, zwanzig oder dreissig Jahren? Werden wir sagen können: „Früher war alles besser?“ 

Eine andere Frage stellt sich aber auch: Wo war und ist Gott in dem allen?

Wir glauben nicht an einen statischen Gott, sondern an einen lebendigen, dynamischen Gott. Zu allen Zeiten, von Beginn der Welten bis zum heutigen Tag ist er da. Er feiert mit uns die Höhen des Lebens und geht mit uns durch die Tiefen. Er ist der Tröster in schwierigen Zeiten und die Kraftquelle unseres Lebens. Gott ist da von Ewigkeit zu Ewigkeit. Wer ihn kennenlernen möchte, kann bei Jesus in die Lehre gehen. Über ihn wird im Neuen Testament gesagt: Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. (Hebräer 13,8)


Die Zeiten ändern sich. Krisen kommen und gehen. Durch alle Höhen und Tiefen gibt es einen, der mit uns geht, der bei uns ist, an den wir uns zu jeder Zeit wenden können. Das beruhigt mich, denn darauf kann ich zählen. Auch und gerade, wenn die Welt mal wieder verrückt ist, so wie zu allen Zeiten.